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Gutes Beispiel: Anpassung der Eintrittspreise an Hitzetagen im Geraer Tierpark

Beispiel für Handlungsmöglichkeit: Flexibilisierung des Tagesablaufs

 Aufenthaltsorte im öffentlichen Raum, die eine Erholungsfunktion erfüllen und Abkühlung gewährleisten (durch Schattenwurf, Begrünung, offene Wasserflächen), sollten für die Bevölkerung insbesondere  an heißen Tagen und während Hitzeperioden möglichst leicht zugänglich sein. Ein wesentliches Hemmnis für die Zugänglichkeit von Erholungsräumen bei Hitze stellen häufig Öffnungszeiten und insbesondere auch Eintrittspreise dar.  Das betrifft bspw. Freibäder, botanische und zoologische Gärten sowie in manchen Fällen auch Bürgerparks.

Abb. 1: Hinweisschild für den Geraer Tierpark an der Autobahn (Bildquelle: Stadt Gera)

Abb. 1: Hinweisschild für den Geraer Tierpark an der Autobahn

(Bildquelle: Stadt Gera)
Abb. 2:Lage des Tierparks in Gera  (Datenquelle laut Abbildung, Bildquelle: Alexandra Nozik/ThINK)

Abb. 2: Lage des Tierparks in Gera

(Datenquelle laut Abbildung, Bildquelle: Alexandra Nozik/ThINK)

Der Waldzoo Gera versucht diesem Hemmnis, das insbesondere einkommensschwache Teile der Bevölkerung betrifft, ein Stück weit zu begegnen.

Der Tierpark wurde 1962 im Martinsgrund westlich der Geraer Kernstadt errichtet (Abbildung 2). Auf einer Fläche von über 20 Hektar beherbergt er über 500 Tiere aus ca. 80 Tierarten (Abbildung 3). Neben den Tieren sind die bei Kindern besonders beliebte Waldeisenbahn (Abbildung 4), der integrierte Bauernhof und die damit verbundenen Bildungsangebote des Tierparks zu den besonderen Attraktionen zu zählen. Im Jahr 2018 besuchten über 143.000 Menschen den Tierpark; überwiegend Familien mit kleinen Kindern aus Gera und der näheren (bis ca. 50km) Umgebung.

Aufgrund der Topographie des Martinsgrunds herrschen im Tierpark während der Sommermonate recht günstige kleinklimatische Bedingungen, insbesondere im Vergleich zum angrenzenden überwärmten Stadtkörper Geras während Hitzetagen bzw. -perioden.

Abb. 3: Parkplan für den Geraer Tierparks (Bildquelle: Stadt Gera)

Abb. 3: Parkplan für den Geraer Tierparks

(Bildquelle: Stadt Gera)

Um den Tierpark über dessen Kultur- und Bildungsangebot hinaus auch hinsichtlich seiner Funktion als bioklimatischen Gunstraum und Rückzugsort an heißen Tagen attraktiver zu machen, hatte Konrad Nickschick, Fachdienstleiter Umwelt der Stadt Gera, den Vorschlag, die Eintrittspreise in Abhängigkeit von den tagesaktuellen Wetterbedingungen variabel zu gestalten. Die Idee kam ihm im Rahmen der Beteiligung Geras im Thüringer Projekt Freifunkkommune Gera.

„Im Thüringer Pilotprojekt Freifunk war Gera Pilotkommune. An den Sendestandorten sollte ein Mehrwert erzielt werden, dazu wurden hier über Klimasensoren verschiedene Daten wie Temperatur, Feinstaub, Luftfeuchte usw. erhoben. An heißen Tagen über einer definierten Temperatur sinkt die Aufenthalts- und Lebensqualität in der Stadt u. A. in Folge der negativen Auswirkungen des Wärmeinseleffekts. Der Tierpark stellt aufgrund seiner Lage und Geographie einen besonders kühlen Teil der Stadt mit gleichzeitig sehr hoher Aufenthaltsqualität dar. Zur Nutzung der kleinräumigen Klimadaten entstand durch eine Ideenkonferenz innerhalb der Stadtverwaltung die Idee, dass an heißen Tagen also der Aufenthalt im Tierpark durch „Temperaturabhängige Eintrittspreise“ noch reizvoller gestaltet werden könnte.“

Konrad Nickschick, Fachdienstleiter Umwelt der Stadt Gera

Konrad Nickschick hat die Maßnahme in Absprache mit dem Oberbürgermeister erarbeitet und begleitet deren Umsetzung. Parallel dazu wurde der Passus „über geänderte Preise bei Veranstaltungen und kurzfristigen Marketingaktionen entscheidet der Fachdienstleiter Umwelt“ in die Entgeltordnung des Tierparks aufgenommen. Bezüglich der Finanzierung äußerte sich Herr Nickschick, dass sie nicht notwendig wird, da alle technischen Voraussetzungen vorliegen und eine Mindereinnahme nicht erwartet wird bzw. äußerst gering ausfallen dürfte und durch den positiven Marketingeffekt ausgeglichen werden kann. Die Aufmerksamkeit soll u.a. durch Ankündigung der Maßnahme in den lokalen Medien erreicht werden.

Die Maßnahme greift an heißen Tagen, an denen die Temperatur über 30°C beträgt. Die Ermäßigung beläuft sich auf 0,50€. Mit Beschluss der neuen Entgeltordnung wurde die Maßnahme im Sommer 2019 eingeführt. Die tagesaktuelle Entscheidung über die Ermäßigung wird dabei automatisiert getroffen und vom Tierparkleiter direkt an die Kasse (Abbildung 5) weitergeleitet. Dafür werden die Daten in Echtzeit vom Geoportal Thüringen für Gera bezogen. Hier liegen die Freifunk-Klimasensoren zugrunde. Eine automatisierte Mitteilung an den Tierpark informiert die Kassen bei Überschreitung der 30°C -Marke.

Abb. 4: Parkeisenbahn im Geraer Tierpark (Bildquelle: Stadt Gera)

Abb. 4: Parkeisenbahn im Geraer Tierpark

(Bildquelle: Stadt Gera)
Abb. 5: Eingangsbereich zum Tierpark Gera (Bildquelle: Stadt Gera)

Abb. 5: Eingangsbereich zum Tierpark Gera

(Bildquelle: Stadt Gera)

Der Tierparkleiter Ulrich Fischer äußert sich zu dieser Maßnahme wie folgt:

„Das Klimasensor-System funktioniert bei uns seit diesem Sommer und läuft einwandfrei. Die Meldungen kommen bei mir als Tierparkleiter direkt auf dem Handy an, sodass ich unabhängig von meinem Aufenthaltsort innerhalb oder außerhalb des Tierparks direkt die Kasse über die Überschreitung der Temperaturmarke informieren kann. Somit ist gewährleistet, dass die Entscheidung über die Preissenkung nach einer objektiven Einschätzung getroffen wird.

In den ersten zwei Monaten seit der Einführung der Maßnahme haben 1606 Personen von dem vergünstigten Eintritt profitieren können. Klar sind es erstmal weniger Einnahmen, jedoch bin ich mir sicher, dass die Vergünstigung künftig auch mehr Leute anregen kann, öfter den Waldzoo als angenehmen Aufenthaltsort bei Hitze aufzusuchen.

Mich freut das als alten Förster besonders, dass die Verwaltungsspitze in Gera und im Fachdienst Umwelt mit Herrn Nickschick uns hier sehr unterstützt, weil es wichtig ist, die Leute dazu anzuregen, mehr Zeit im Grünen zu verbringen. Wir sollten die Natur und das, was wir von ihr bekommen – frische Luft, Erholung, Abkühlung im Sommer – mehr zu schätzen lernen und nicht für selbstverständlich nehmen. Ich merke ja schon immer deutlich den Unterschied, wenn ich in der Innenstadt unterwegs bin, wie sehr der Waldzoo einen Erholungsort im Vergleich dazu darstellt. Alleine deshalb ist die Maßnahme bereits ein wichtiges Zeichen, das die Stadt setzt.“