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Gutes Beispiel: Klimaangepasste Ersatzpflanzungen für die Erfurter Oststadt

Beispiel für Handlungsmöglichkeit: Standort- und klimawandelgerechte Gehölzartenwahl, Verbesserung der Standortbedingungen des Großgrüns

Durch den Klimawandel nehmen die Hitzebelastung und der Trockenstress auf die urbane Vegetation zu. Zugleich wächst die Bedeutung des städtischen Grüns, da diesem als Klimaregulator eine wesentliche Funktion zum Erhalt des Wohlbefindens und der Lebensqualität für die Bevölkerung zukommt.

Stadtbäume leiden zugleich unter dem zunehmenden Nutzungsdruck in verdichteten Stadtquartieren. Häufig sind ihre Standortbedingungen nur mangelhaft, die Baumscheiben und Pflanzgruben zu klein angelegt, die Böden stark versiegelt und verdichtet. Daraus ergibt sich im Wurzelraum ein Wassermangel und Belüftungsdefizit – zwei Faktoren, die jedoch für die Baumgesundheit von entscheidender Bedeutung sind.

Im Rahmen des BMBF-Projektes „HeatResilientCity“ (HRC) wird eine hitzeresiliente Stadt- und Quartiersentwicklung in Großstädten betrachtet und anhand zweier Programmgebiete wird die Wirkung von Anpassungsmaßnahmen, die die sommerlichen thermischen Belastungen mindern könnten, erforscht. Als eines dieser Beispielquartiere wurde die Erfurter Oststadt (Krämpfervorstadt) ausgewählt. Das dortige Modellgebiet umfasst etwa 140 ha und weist im Quartiersinneren ein hohes Baukörpervolumen und einen beträchtlichen Versiegelungsgrad auf und ist somit prädestiniert für städtische Überwärmung. In den vergangenen Jahren mussten hier bereits einige Bäume aufgrund vermehrter Folgeschäden nach Hitze- und Trockenperioden gefällt werden.

In die dadurch frei gewordenen Baumscheiben wurden im Rahmen des HRC-Projektes 38 klimaresiliente Bäume und 11 mittelhohe Sträucher in sieben Straßenzügen neu- beziehungsweise ersatzgepflanzt. Als erster Schritt wurden die Pflanzgruben mittels Handschachtungen und unter Einsatz eines Saugbaggers (Abbildung 1) vorbereitet. Mit dieser neuen Technologie konnten möglichst große Pflanzgruben (Richtgröße 12m³) im dicht belegten unterirdischen Leitungsbestand generiert werden, ohne das Risiko, Leitungsschäden bei Schachtarbeiten zu verursachen. Daraufhin folgten die Verfüllung der Pflanzgruben, die Pflanzung sowie das Wiederherstellen der angrenzenden Gehwegbeläge und Baumscheibeneinfassungen, mineralischen Mulchflächen und der Einbau von Pollern zum Schutz der Baumscheiben. Als Grundlage des gesamten Vorhabens dienten unter anderem die Richtlinien „Empfehlungen für Baumpflanzungen“ (Teil 1 und 2) der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL). Um auch die verschiedenen Belange und Sicherheitsansprüche der Leitungsträger (Ab- und Trinkwasser, Strom, Fernwärme, Gas, Straßenbeleuchtung sowie Telekommunikation) zu berücksichtigen, wurde in Erfurt eine Rahmenvereinbarung mit den Stadtwerken und den städtischen Eigenbetrieben initiiert. Diese hat zum Ziel, trotz Unterschreitung der Mindestabstände leitungsabhängig Kompromisse zu finden und wieder mehr Bäume in Erfurt pflanzen zu können.

Die Forderungen nach mehr Baumpflanzungen gingen insbesondere aus Quartiersbefragungen und Beteiligungsworkshops sowie der Bürgerbefragung "Grünes Erfurt" im Zeitraum von 2017 bis 2019 hervor. Für die pilotartige Maßnahme griff die Erfurter Stadtverwaltung auf die Erkenntnisse aus dem Erfurter Stadtgrünkonzept (SiKEF) zurück, um insbesondere die Baumarten standörtlich und klimatisch angepasst auszuwählen. Das städtische Quartiersgrünkonzept und dessen Umsetzung verbindet somit bürgerorientiert eine gestalterische Verbesserung des Wohnumfeldes und der Gesundheitsvorsorge mit dem Ziel die Hitzebelastung zu reduzieren.

Bagger gräbt Löscher für Baumpflanzung an einem Straßenrand, Bauzäune begrenzen die Baugrube

Abb. 1: Vorbereitung der Pflanz- und Wurzelgruben mit einem Saugbagger

(Bildquelle: LH Erfurt)
neu gepflanzter Baum vor Haus in einer innerstädtischen Straße

Abb. 2: Stadtklima- und trockentolerante Baum-Hasel in möglichst groß dimensionierter Baumscheibe und darunterliegender Wurzelgrube

(Bildquelle: LH Erfurt)

Bei der Wahl der Baumarten wurde darauf geachtet, klimaangepasste Arten zu wählen, die auch vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels eine ausreichende Toleranz gegenüber Trocken- und Hitzestress besitzen und ebenso die notwendige Winterhärte aufweisen und dem städtischen Nutzungsdruck standhalten können (Abbildung 2). 

Da Kronen- und Wurzelvolumen in enger Korrelation stehen, spielte bei der Auswahl geeigneter Baumarten auch die Wurzelform und das Wurzelverhalten eine wichtige Rolle, um das Überleben des Baumes zu sichern und Belagsschäden durch oberflächennahe Wurzellagen zu verhindern.

Durch die bewusste Anpassung der Baumarten an die zur Verfügung stehenden ober- und unterirdischen Lebensräume kam es zu einer Abweichung  des Erscheinungsbildes im Straßenbegleitgrün. Mit einer gezielten Mischung der Baumarten soll das Risiko von Krankheiten und Schädlingsbefall zudem gemindert werden. Der vorhandene Baumbestand wurde u. a. mit folgenden Baumarten ergänzt: Purpurerle (Alnus spaethii), Blasenesche (Koelreuteria paniculata) und Dreispitz-Ahorn (Acer buergerianum). In zwei Straßenabschnitten konnten aufgrund des Leitungsbestandes keine Bäume gepflanzt werden, jedoch waren Großstrauchpflanzungen zur Aufwertung des Straßenbegleitgrünes umsetzbar.

Im Gegensatz zu den Altstandorten lag ein weiterer Fokus darauf, standortverbessernde Maßnahmen zur Bereitstellung von zusätzlichem Wurzelraum zu integrieren (Abbildung 2). In Anlehnung an das Stockholmer Modell wurden für eine Verbesserung des unterirdischen Gasaustausches Belüftungseinrichtungen bis zur Pflanzgrubensohle installiert. Dies ermöglicht ein Hineinwurzeln in tiefere Bodenschichten, was die Trockenheitsanfälligkeit reduziert und gleichsam zukünftige Belagsschäden durch Wurzelhebungen verhindert. Das Besondere an den Pflanzungen ist auch der Einbau von Skeletterde in die Wurzelgruben. Dazu wurden lagenweise Grobschotter (56-150 mm Hartgestein), eingespültes Untersubstrat und ein Obersubstrat eingebracht. Trotz der erforderlichen Verdichtungswerte sind durch die strukturstabilen, substratgefüllten Zwischenräume mehr Nährstoffe und Wasser für die Pflanzen verfügbar, was die Wachstumsbedingungen verbessert und die Bäume widerstandsfähiger gegenüber Hitze und Trockenheit macht. Dies kann sich in einer erhöhten Vitalität und damit in einer verbesserten Funktionalität sowie einer geringeren Krankheitsanfälligkeit und langfristig letztlich niedrigeren Kosten für Nachpflanzungen und Pflege äußern.

(Stand der Ausarbeitung/Redaktionsschluss: Mai 2021)